Er schaute zurück auf seine Jugendzeit. Auf die Zeit als Abiturient, in der er Gleichaltrige noch in der Kirche traf. In der es "Katholische, Evangelische und Komische" gab und man noch nicht begründen musste, warum man glaubt. "Alles Gute, geh keine Mischehe ein", habe man damals zum Abschied mit auf den Weg bekommen und heute "kann man sich glücklich schätzen, wenn der Partner überhaupt glaubt. Egal an was". "Wir werden eine Minderheit", fasste er zusammen und teilte seinen christlichen Glauben in drei Kernbereiche ein.
In die "Sterblichkeit", und dass da noch etwas sein muss: "Sonst haben die Würmer das letzte Wort." In die Liebe, die er brauche und die in Vollkommenheit nur Gott im geben könne. In die Schuld, die Menschen oftmals auf sich nähmen, ohne es überhaupt zu bemerken oder zu beabsichtigen. Von der er sich wünsche geheilt zu werden, vom Heiland: "Das ist der Himmel für mich". "Ich bin Christ geworden", erklärte er weiter, "weil ich so aufgewachsen bin. Dafür gibt es wenig Argumente". Und dennoch sei der Glaube für ihn zur großen Liebe geworden: "Unvernünftig, unerklärlich und einfach einzigartig."
"Ich setze auf das, was geschrieben steht, auf 2000 Jahre Geschichte und Erfahrungen", erklärte er seine Glaubensrichtung, die er seit 35 Jahren mit Begeisterung weitergibt in seinen Predigten. "Ich habe Gott auch nie gehört und gesehen. Ich muss einfach glauben." Er sprach von Momenten, in denen er vergessen hatte zu beten. Von Notlagen, in denen die Angst überwog und davon, dass der Glaube gebrechlich sei. Doch Gott lege nichts auf die Waagschale. Gott rette ihn nicht vor, sondern im Tod. "Können Sie Gott nicht in der Schöpfung erkennen?" wurde er gefragt und sah es skeptisch. "Man kann alles sehen in der Natur, auch ohne Gott. Und je mehr die Wissenschaft beweist, ist Gott auf dem Rückzug." Und so schön sie auch sei, sie könne sich schnell ins Gegenteil verkehren. In weiteren Antworten für seine Gäste plädierte er dafär, ein Suchender zu bleiben und offen für die Menschen, die er in zwei Gruppen einteilt: Die, die sich um Gutes bemühen und diejenigen, die es nicht tun. Er rief die Alten auf, den Glauben vorzuleben und billigte der Jugend zu, radikal zu sein, nach Veränderung zu streben und hoffte, "dass alle ihre Aufgaben erfüllen". Denn: "Theologie sollte Geburtshelfer sein und nicht Kontrollorgan und muss anfangen neu zu denken. Wenn sie starr wird stirbt sie. Nur Veränderung hält uns am Leben".
9. Juli 2020, Text und Foto: Helga Wiechert
Mehr als 50 Personen haben sich zuletzt im Maximilian-Kolbe-Saal der Franziskanerinnen von Reute eingefunden. So konnten die wegen Corona geforderten Abstandregeln gut eingehalten werden. Mit Thomas Frings hatte die katholische Erwachsenenbildung Bodenseekreis (KEB) einen derzeit sehr populären Referenten gewinnen können. Im Jahre 1960 geboren, wurde er 1987 zum Priester geweiht. Nach 25 Jahren Pfarrer in Münster erklärte er im Jahre 2016 seinen Rücktritt als Pfarrer. Heute verrät er "wie er glaubt, was er hofft und wie die Kirche heute überleben kann". In seinem neuesten Buch schreibt er: "Ich war Kleriker der Kirche geworden, aber noch lange kein Mann Gottes. Gott muss man suchen, die Kirche ist da. Eine Kirche muss funktionieren, Gott funktioniert nicht".
Thomas Frings, übrigens ein Großneffe des ehemaligen Kölner Erzbischofs Kardinal Joseph Frings, ging in seiner einstündigen freien Rede auf die aktuelle Situation der Kirchen ein. "Heute kann einer doch ganz passabel leben, auch ohne einer Kirche anzugehören", so kommentierte er die hohen Austrittszahlen der beiden Kirchen. Auf die Frage: "Warum soll ich glauben, wenn es auch ohne gut geht", hatte der Referent drei ganz entscheidende Antworten parat. Jeder Mensch ist liebesbedürftig, jedoch kann keiner 100 Prozent geben. Für den Rest brauche ich Gott. Dann gibt es die Frage nach der Schuld von mir selber und die der anderen. Hier muss jemand "Heil" machen, dazu brauchen wir den Heiland. Und zum Schluss falle das Sterben leichter, wenn Sehnsucht und Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod in mir herrsche. So sei eine Kommunikation mit einem lieben Verstorbenen nur dann gegeben und sinnvoll, wenn es auch ein Jenseits gibt.
Bei diesem spannenden Thema stellte der Referent so manches gewohnte Gottesdienst-Ritual in Frage. Weil für ihn der Empfang der Hostie bei der Kommunion das größte Geschenk Gottes für uns darstelle, wolle er beim Verlassen der Kirche keine Kniebeuge machen, weil ja Christus selber in mir wohne. Natürlich bekamen auch so manche Prediger ihr Fett ab. "Früher war eine inhaltslose Predigt nicht gar so schlimm, denn am nächsten Sonntag konnte man ja eine andere Kirche aufsuchen. Wenn aber heute ein Christ nur einmal im Jahr einen Gottesdienst besucht und dann noch die Predigt für ihn langweilig erscheint, komme schnell sein Entschluss "das muss ich mir nicht nochmals antun".
Spannend war es, als Frings eine erlebte Begebenheit in der Nacht von Silvester 2000 erzählte. Er besuchte einen Freund im Pendjari-Nationalpark in Togo. Nach einem gemütlichen Abend am offenen Feuer legten sich beide bei völliger Dunkelheit in einem Zelt zur Nachtruhe. Doch zwei Stunden vor Sonnenaufgang hörten sie Hyänen knurren und brüllen. Sie kamen auch bis etwa zwanzig Meter an ihr Zelt heran. "Meine Hände zitterten, als ob ich Parkinson hätte und meine Füße waren eiskalt, ich hatte Todesangst. Doch nach etwa zwei Stunden war dieser Spuck vorbei. Bestimmt sagen sie jetzt, das haben Sie ihrem Gebet zu verdanken. Jedoch, ich habe nicht gebetet, denn der liebe Gott hat mir die wilden Tiere auch nicht geschickt. In diese Gefahr habe ich mich selber begeben, wenn ich in der Wildnis von Afrika ein Zelt aufschlage. Gott funktioniert nicht, doch er hat mir einen Verstand und einen freien Willen geschenkt".
In einer lebhaften Diskussion machte Frings sich für ein langsames und betontes Beten stark. "In diesem Thema sind uns unsere evangelischen Mitchristen ein Stück voraus, jedoch beim Lachen haben wir die Nase vorn". Diese Aussage kommt nicht von ungefähr, Thomas Frings ist seit diesem Jahr auch Sitzungspräsident der Kölner Karnevalsgesellschaft. Unter langanhaltendem Beifall dankte Iris Egger als Leiterin der KEB dem sympathischen Priester aus Köln.